Auß tieffer not schrey ich zu dir /
herr got erhör mein rüffen [1] /
Dein gnedig oren ker zu mir /
und meiner pit [2] sie öffen /
Denn so du das wilt sehen an /
wie manche sündt ich hab gethan /
wer kan herr für dir bleyben.
Es steet bey deiner macht allain /
die sünden zu vergeben /
Das dich fürcht beyde groß und klain /
auch in dem besten leben /
Darumb auff got wil hoffen ich /
mein hertz auff jn sol lassen sich /
ich wil seins worts erharren.
Und ob es wert biß in die nacht /
und wider an den morgen /
Doch sol mein hertz an Gottes macht /
verzweyfeln nit noch sorgen /
So thu Israel rechter art /
der auß dem geyst erzeüget wardt /
und seines gots erharre.
Ob bey uns ist der sünden vil /
bey Got ist vil mer gnaden /
Sein handt zu helffen hat kain zill [3] /
wie groß auch sey der schaden /
Er ist allain der gute hyrt /
der Israel erlösen wirt /
auß seinen sünden allen.
(Martin Luther, aus dem Achtliederbuch, 1523/24)
Anmerkungen:
Siehe auch die revidierte Fassung im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 299). – Vergleiche auch Psalm 130.
[1]
rüffen = Rufen
[2]
pit = Bitte
[3]
zill = Ziel = Ende
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