„Kommst du auch, heut' Abend?“
„Weiß nicht, mal sehen, ich muss noch auf jemanden warten.“
„Warten? Auf wen denn?“
„Auf Jesus.“
Wenn das Warten doch so einfach wäre!
Wenn man nur wüsste, dass er heute Abend kommt!
Oder wenigstens morgen!
Kommen wird er.
Ja.
Aber wann?
Warten kann schwer sein.
Man ist ungeduldig.
Man will die Zeit noch nutzen,
bis der andere kommt.
Aber man weiß nicht,
wann er kommt.
Man ist dem anderen
völlig überlassen.
Ausgeliefert.
Man kann nichts mehr planen.
Man kann nur noch darauf vertrauen,
dass der andere kommt.
Dass er bald kommt.
Und in der Zwischenzeit?
Was soll man tun?
Man könnte so viel Besseres anfangen, mit der Zeit,
als nur abzuwarten.
Man könnte alles Mögliche tun.
Aber wenn zwischendurch
doch noch etwas geschieht?
Wenn er dann doch noch
auf einmal dasteht?
Diese Ungewissheit!
Natürlich lohnt es sich noch, etwas anzufangen.
Es kann ja noch länger dauern.
– Es kann noch
ganz unglaublich lange
dauern.
Manchmal
kann Warten auch schön sein.
Wenn man auf einen anderen Menschen wartet,
und nur an diesen einen Menschen denkt
und an sonst nichts anderes mehr denken kann,
als nur an ihn,
dann weiß man,
dass man liebt.
Und wenn auch der andere weiß,
dass man auf ihn wartet,
dann spürt auch er
die Liebe.
Aber es ist alles so ungewiss.
Am liebsten würde ich
mich mit den anderen treffen
und mit ihnen zusammen
die Zeit vertreiben.
Die Wartezeit.
Aber wenn ich die Zeit vertreibe,
kann ich dann noch warten, auf ihn?
Ich weiß ja nicht,
wie viel Zeit
ich da verbringen muss.
Wenn er dann auf einmal da ist, bin ich dann
bereit?
Freue ich mich dann?
Ach was! Das ist doch alles Unsinn!
Warten auf Godot!
Kein Mensch weiß, ob er
überhaupt je kommt!
Und wenn er dann doch
auf einmal da ist?
Eigentlich kann es ja nicht verkehrt sein,
einfach nur mal etwas
aufzupassen,
etwas aufmerksam zu sein,
auch dann, wenn ich bei den anderen bin.
Vielleicht kommt er ja gerade
dort hin.
Oder vielleicht
ist er sogar
schon gekommen,
und ich habe ihn noch gar nicht
entdeckt, bei den Anderen.
Ich will auf ihn warten.
So, wie auf meine Freundin.
Vielleicht kommt er ja
tatsächlich.
(Konstantin Zimmer, 2000)
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