Strukturtreue Übersetzungen versuchen, die sprachliche Struktur des Urtextes möglichst exakt ins Deutsche zu übertragen. Sie sind vor allem für Menschen hilfreich, die die vielfältigen Bedeutungsvarianten der wichtigen biblischen Begriffe gut kennen. Ohne dieses Vorwissen kann der Bedeutungswandel der Worte zu Fehldeutungen der biblischen Aussagen führen.
Strukturtreue Übersetzungen sind eine sinnvolle Ergänzung zu Übersetzungen in zugängliche Sprache. Bekannte strukturtreue Übersetzungen sind die Elberfelder Bibel, die Menge-Übersetzung und die jüdische Tur-Sinai-Übersetzung. Mit ihrem besonderen Profil sind auch die jüdische Buber/Rosenzweig-Übersetzung und die Offene Bibel sehr interessant.
Viele strukturtreue Übersetzungen bemühen sich (in unterschiedlichem Maß) um Konkordanz. Hebräische und griechische Wörter werden dabei so weit möglich stets gleich übersetzt. Dies ist immer eine Gradwanderung, da es für viele hebräische und griechische Wörter keine wirklichen Entsprechungen in der deutschen Sprache gibt.
↓ Buber/Rosenzweig
jüdisch, Tanach ≙ Altes Testament
1925–1929
↓ Ecclesia Free Bible
Bearbeitung der Elberfelder Bibel
2004/2008
↓ Elberfelder Bibel
evangelisch
1871, Revision 2006
↓ Konkordantes Altes Testament
streng konkordant, Teile des Alten Testaments
1988ff
↓ Konkordantes Neues Testament
streng konkordant
1939, Revision 1996
↓ Menge
Neues Testament
1909–1926, Revision 1939
↓ Münchener Neues Testament
streng konkordant
1988, Revision 2007
↓ Neue-Welt-Übersetzung
Jehovas Zeugen
1986
↓ Offene Bibel – Studienfassung
Internet-Projekt zum Mitmachen, frei kopierbar
2009ff
↓ Schumacher
evangelisch-freikirchlich, Neues Testament
2002
↓ Tur-Sinai
jüdisch, Tanach ≙ Altes Testament
1934/1954
↓ Überarbeitete Elberfelder Übersetzung
Bearbeitung der Elberfelder Bibel
2003
siehe auch:
→ Interlinearübersetzungen
auf englisch:
→ King James Version
→ New American Standard Bible
→ Bibel-Übersetzungen (inhaltlich gruppiert)
→ Deutsche Bibel-Übersetzungen (alphabetisch)
→ Englische Bibel-Übersetzungen (alphabetisch)
Elberfelder Bibel (1871; Revision 2006)
Evangelisch-freikirchliche Übersetzung
Der Elberfelder Bibel gelingt es in der Regel sehr gut, trotz der angestrebten Konkordanz eine noch weitgehend verständliche Sprache zu verwenden.
Im Laufe der Geschichte der Elberfelder Bibel gab es zahlreiche Revisionen (Revidierte Elberfelder Bibel). Der Brockhaus-Verlag passt den Text so immer wieder behutsam an den geänderten Sprachgebrauch und an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand an. Auch die aktuelle Revision 2006 gibt jedoch teilweise älteren Übersetzungstraditionen den Vorrang vor der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion, z.B. wenn sie die Apostolin Junia als Männername Junias (Römerbrief 15,7) übersetzt.
In Abgrenzung zur revidierten Elberfelder Bibel gibt es noch zwei weitere Überarbeitungen der Bibelübersetzung. Die Überarbeitete Elberfelder Übersetzung erschien 2003 in der Edition CSV Hückeswagen. Hiervon unabhängig ist die frei kopierbare Elberfelder Ecclesia FreeBible (2004/2008). Das inhaltliche Profil beider Überarbeitungen ist sehr ähnlich. Kennzeichnend ist vor allem eine stark ablehnende Haltung gegenüber Erkenntnissen der wissenschaftlichen Exegese.
Die Elberfelder Bibel verwendet anders als die meisten anderen evangelischen Übersetzungen fast gar keine geschlechtergerechte Sprache. Vor allem als Ergänzung zu modernen, stärker umschreibenden Übersetzungen ist die Elberfelder Bibel sehr zu empfehlen. Im Vergleich lässt sich so sehr gut nachvollziehen, welche verschiedenen Deutungen die biblischen Urtexte zulassen.
‣ Website zur Elberfelder Bibel (2006)
‣ Elberfelder Bibel (1871) online – nicht mehr urheberrechtlich geschützt
‣ Elberfelder Bibel (2006) online – Rechte beim Brockhaus-Verlag
Hermann Menge (1909–1926; Revision 1939)
Der Altphilologe Hermann Menge (1841–1939) ist auch für sein Griechisch-Wörterbuch bekannt. Seine Bibelübersetzung war ein privates Projekt im Ruhestand. Der Satzbau ist stark am Urtext orientiert und klingt daher zunächst oft etwas holprig, zumal es zahlreiche Ergänzungen in Klammern gibt. Hierdurch ist die Übersetzung jedoch sehr gut dazu geeignet, die sprachliche Struktur des Urtextes nachzuvollziehen.
Gerade in Kombination mit anderen Übersetzungen liefert ein Blick in die Menge-Bibel oft wertvolle Hinweise.
‣ Menge-Bibel (1939) online – nicht mehr urheberrechtlich geschützt
Martin Buber und Franz Rosenzweig (1925-1929)
Jüdische Übersetzung
Martin Buber und Franz Rosenzweig haben mit ihrer unkonventionellen Übersetzung der hebräischen Bibel ein beeindruckendes Werk geschaffen. Sprachlich verwandte Wörter des Hebräischen bilden sie auch im Deutschen mit sprachlich verwandten Wörtern ab – oft mit Hilfe von Wortneuschöpfungen. Mit ihrem eigenwilligen Ansatz ist Buber/Rosenzweig eher untypisch für die jüdische Tradition. Im Judentum werden andere Übersetzungen wesentlich häufiger verwendet.
Auch wenn der Sprachstil oft nicht leicht zugänglich ist, stellt Buber/Rosenzweig mit ihrer kunstvollen Sprache eine große Bereicherung dar. Auf expressionistische Art erschließt sie Aspekte des hebräischen Textes, die in der deutschen Sprache nur schwer sichtbar gemacht werden können.
Die Tur-Sinai-Übersetzung teilt sich viele Eigenschaften mit Buber/Rosenzweig, folgt aber stärker der jüdischen Tradition.
Andere streng konkordante Übersetzungen
Ähnlich wie Buber/Rosenzweig folgen auch einige andere Übersetzungen konsequent dem Prinzip, jede griechische bzw. hebräische Vokabel auf exakt eine deutsche Entsprechung abzubilden. Anders als jene verwenden sie keine expressionistische Sprache, sondern einen normalen Satzbau. Dadurch wirkt das Ergebnis auf den ersten Blick besser verständlich als Buber/Rosenzweig.
Dies ist jedoch mit einer größeren Missverständlichkeit erkauft: Weil es keine 1:1-Entsprechung im Vokabular gibt, entfernt sich Wortwahl der Übersetzung bewusst sehr weit von den üblichen Wortbedeutungen der deutschen Sprache. Wer das Vokabular der biblischen Ursprachen sehr genau kennt, kann streng konkordante Übersetzungen dennoch als sinnvolles Hilfsmittel verwenden. In den meisten Fällen bietet sich hier jedoch eher die Nutzung einer Interlinearübersetzung an.
‣ Collegium Biblicum München:
Münchener Neues Testament (1988; Revision 2007)
‣ Konkordanter Verlag:
Konkordantes Neues Testament (1939; Revision 1996)
Konkordantes Altes Testament (1988ff)
Naftali Herz Tur-Sinai (1934/1954)
Jüdische Übersetzung
Die Übersetzung des renommierten jüdischen Hebäisch-Professors Naftali Tur-Sinai versucht, den Satzbau und das Denken des biblischen Hebräisch in die deutsche Sprache zu übertragen. An poetischen Bibelstellen spiegelt die Übersetzung den Klang der hebräischen Sprache oft gut wider. Andere Bibelstellen dagegen wirken durch die Kombination aus altertümlicher Wortwahl und hebraisierendem Satzbau uneinheitlich und holprig.
Mit seinem Ansatz verweist Tur-Sinai – ähnlich wie Buber/Rosenzweig – auf die Fremdheit der hebräischen Bibeltexte. Dies macht dem Leser die zeitliche und kulturelle Distanz zur Entstehungszeit der Bibel bewusst. Insbesondere bei Bibelstellen, die schon in der Ursprache schwer verständlich sind, ist dieses Vorgehen ein wichtiges Korrektiv zu Übersetzungen in zugängliche Sprache.
Neue-Welt-Übersetzung (1986)
Jehovas Zeugen
Die Neue-Welt-Übersetzung ist die deutsche Ausgabe der englischen New World Translation und basiert wie diese nicht auf der etablierten, wissenschaftlichen Urtext-Ausgabe (Nestle-Aland), sondern auf einer eigenen Rekonstruktion der Urtexte, die den Lehren der Glaubensgemeinschaft näher steht.
An den meisten Stellen ist die Neue-Welt-Übersetzung eine sorgfältige Übersetzung, die sprachlich der Elberfelder Bibel nahe steht. An einigen zentralen Stellen finden sich jedoch eigenwillige Interpretationen, die sich mit den Glaubensüberzeugungen von Jehovas Zeugen decken.
Die Glaubensgemeinschaft ist in mehrerer Hinsicht nicht unproblematisch.
‣ Kurzdarstellung zu Jehovas Zeugen und zur ihrer Bibelübersetzung
Heinz Schumacher (2002)
Evangelisch-freikirchliche Übersetzung
Heinz Schumachers Übersetzung des Neuen Testaments enthält neben ausführlichen Einleitungen zahlreiche Fußnoten. Diese erschweren eine flüssige Lektüre des Textes, enthalten aber viele interessante Beobachtungen zur griechischen Sprache und theologische Überlegungen des Übersetzers, der die Position einer Allversöhnung vertritt.
Leider trennt der Übersetzer oft nicht zwischen sprachliche Anmerkungen und theologische Deutungen. Dadurch ergibt sich ein uneinheitliches Bild: An einigen Stellen stehen vollständige Hinweise auf alternative Übersetzungsmöglichkeiten. An anderen Stellen werden andere Übersetzungsmöglichkeiten nicht (oder nur in scharfer Abgrenzung) genannt.
Durch die Fülle an Informationen und Überlegungen ist die Übersetzung eine wertvolle Ergänzung im Vergleich verschiedener Übersetzungen.
Offene Bibel – Studienfassung (2009ff)
Internet-Projekt zum Mitmachen
Unter dem Namen Offene Bibel entsteht eine neue Bibelübersetzung in moderne Sprache, die sich am wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientiert und frei kopierbar ist. Dies soll z.B. die Nutzung im Internet erlauben. (Für andere aktuelle Übersetzungen ist dafür jeweils die Zahlung einer Lizenzgebühr notwendig.)
Die Offene Bibel entsteht in einem Internet-Projekt, das alle Interessierten zum Mitmachen einlädt.
Langfristig sollen zwei Übersetzungen entstehen: Eine strukturtreue Studienfassung und eine Lesefassung in zugänglicher Sprache. Mehrere Wochen nach Start des Projektes waren bereits mehrere Kapitel in der Studienfassung übersetzt.
Durch diese Kombination aus zwei Übersetzungen mit unterschiedlichem Profil folgt die Offene Bibel einem vielversprechenden Ansatz, der auch unabhängig von der Lizenzfrage interessant ist.
‣ Offene Bibel online – frei kopierbar